Mit der Praxis wachsen
Obwohl er mit seinen 14 Jahren wirklich groß gewachsen ist, wirkt Marlon Munzert eher schüchtern. Seine Augen beginnen allerdings zu leuchten, als das Gespräch auf sein Praktikum kommt, das der Mittelschüler seit März zunächst eine Woche und anschließend einen Tag pro Woche im Betrieb von Niklas Fink in Wartmannsroth absolviert. "Ich freue mich jede Woche auf diesen Praktikumstag", sagt er mit einem ehrlichen Lächeln im Gesicht. Mit anpacken, dem dreiköpfigen Team auf der Baustelle den Rücken freihalten, erste Handgriffe selbst erproben: Für Fliesen-, Platten- und Mosaiklegermeister Niklas Fink ist Schüler Marlon schon jetzt eine wichtige Unterstützung. Die Verbindung zwischen beiden ist langfristig ausgerichtet, denn im Rahmen des Berufsorientierungsnetzwerkes in der Region Main-Rhön, an dem Schüler und Betrieb teilnehmen, erhalten Mittelschüler eine praxisnahe und nachhaltige Berufsorientierung und Betriebe die Möglichkeit, potentielle Auszubildende frühzeitig an sich zu binden.
Langfristige Bindung
Niklas Fink, der heute als Betriebsinhaber mit Marlon Munzert einen Praktikanten über das Netzwerk aufgenommen hat, kann die Chancen aus gleich zwei Blickwinkeln bestätigen. Er hat als Schüler selbst Praktika im Rahmen des Berufsorientierungsnetzwerkes absolviert. "Ich habe dabei das Arbeitsleben kennengelernt und wusste, was in einer Ausbildung auf mich zukommt", erinnert er sich. Frühzeitig wichtige Praxiserfahrungen sammeln, das wollte der junge Fliesenlegermeister auch Marlon Munzert ermöglichen. Und auch für Klassenlehrerin Ellen Erhard ist dieser Punkt von großem Wert. "Unsere Schüler wachsen mit der Erfahrung, die sie in der Praxis sammeln. Viele identifizieren sich mit ihren Betrieben und präsentieren zum Abschluss stolz ihre betriebliche Lernaufgabe", erklärt die Lehrkraft und Konrektorin der Mittelschule Hammelburg. Die betriebliche Lernaufgabe ist Schlusspunkt des Projektes, in Abstimmung mit Betrieben und Schule setzen die Teilnehmer dabei eine praktische Arbeit um, die öffentlich vor Mitschülern, Eltern und Unternehmensvertretern präsentiert wird.
Basisarbeit für erfolgreichen Ausbildungsstart
Das Projekt trage dazu bei, regionale Betriebe für die Fähigkeiten von Mittelschülern zu sensibilisieren und spätere Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, betont Henriette Dinkel und unterstreicht das mit Zahlen, die die Gesellschaft zur beruflichen Förderung Schweinfurt jährlich erhebt: So absolvierten von den Schulabgängern des Jahrgangs 2021/2022 über 66 % nach ihrem Abschluss eine Ausbildung, fast die Hälfte davon wählt einen Handwerksberuf. Ein Großteil der Absolventen entscheide sich zudem für eine Ausbildung im Praktikumsbetrieb. Auch Marlon Munzert möchte diesen Weg gehen und nach seinem Schulabschluss im nächsten Jahr bei Niklas Fink eine Ausbildung beginnen. Als der Schüler das erzählt, beginnen seine Augen wieder zu leuchten – bei Fliesenlegermeister Niklas Fink ebenso. Beide wollen diese Chance nutzen.
Berufsorientierungsnetzwerk in der Region Main-Rhön
"Das Projekt beginnt für jeden Schüler in der achten Klasse zunächst mit einer Vorbereitungsphase", erläutert Henriette Dinkel, Prokuristin und Leiterin Schulsozialarbeit und Medien der Gesellschaft zur beruflichen Förderung Schweinfurt (GbF). Die Tochtergesellschaft der Handwerkskammer für Unterfranken führt das Berufsorientierungsnetzwerk an allen Mitteschulen in den Landkreisen Schweinfurt und Bad Kissingen sowie an der Mittelschule Bad Neustadt im Landkreis Rhön-Grabfeld durch. Neben Informationen zu Ausbildungsberufen und möglichen Ausbildungsbetrieben gehört zu dieser Phase auch ein Telefon- und Bewerbungstraining. Am Ende sollen sich die Schüler selbst um einen Praktikumsplatz kümmern, Betriebe kontaktieren und sich bewerben. Im Anschluss folgen sowohl im achten als auch neunten Schuljahr mehrere Praxisphasen, die neben den Lehrkräften auch durch Netzwerkbetreuer der GbF begleitet werden. Als solche ist Christina Wackes für Marlon Munzert und rund 100 weitere Schülerinnen und Schüler in der Region im Einsatz. Sie hält Kontakt zu den Betrieben, unterstützt bei inhaltlichen Fragen und auch bei Problemen. "Die gibt es natürlich in der Praxis", bestätigt die Sozialpädagogin. Grundsätzlich sieht sie das Netzwerk aber als echte Chance und rät Unternehmen, bei denen sich Schülerinnen und Schüler melden: "Seien Sie offen und nutzen sie diese Möglichkeit."
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