Digitalisierung Handwerk
Rudi Merkl
(v. l.): Ullrich Amthor, Bäckermeister aus Saal an der Saale, Lukas Pittner, Fliesen-, Platten- und Mosaiklegermeister aus Großeibstadt, und Thomas Egerer, Geschäftsführer der Trend Elements GmbH & Co. KG, Bad Neustadt-Salz, haben die Digitalisierung in ihren Betrieben massiv vorangetrieben.

Digitalisierung im unterfränkischen Handwerk

Digitalisierung im Handwerk? Was ist das eigentlich? Die eigene Homepage mit Produkt- oder Dienstleistungsinformationen? Oder ein von A bis Z durchdigitalisiertes Unternehmen, womöglich noch mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz? Die Antwort liegt wohl dazwischen. Digitalisierung wird im Handwerk so vielfältig benutzt und definiert, wie es das Handwerk an sich ist. Es gibt hier keine Schablone, kein Muster, das anzusetzen wäre, um die Digitalisierung im Handwerk umfänglich zu beschreiben. Aber eines gibt es: Die Digitalisierung ist im Handwerk angekommen und nimmt immer mehr Bereiche ein.

Gerade in der Corona-Zeit haben sich Unternehmen aufgemacht, um in die Digitalisierung zu investieren. Natürlich auch die Betriebe in Unterfranken. Drei von Ihnen berichten beispielhaft für viele weitere, welche Gedanken und Überlegungen sie zur vermehrten Digitalisierung gebracht haben, wie die neuen Technologien implementiert wurden und welchen Vorteil sie daraus ziehen.

"Digitale Technologien haben in allen Gewerken des Handwerks Einzug gehalten. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen."

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks

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Den Bäckerberuf attraktiver gestalten

"Wir haben die Zeit der Corona-Pandemie genutzt, die digitale Transformation bei uns im Betrieb voranzutreiben – und zwar mit einer ganz auf uns zugeschnittenen Softwarelösung, die perfekt passt", fasst Bäckerei-Inhaber Ullrich Amthor die vergangenen Monate zusammen. "Wir haben bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. Mein großes Ziel ist es, die Mitarbeiter zu entlasten, Arbeitsabläufe zu optimieren und mit unseren Überlegungen den Bäckerberuf für junge Menschen attraktiver zu gestalten. Die bisherigen Ergebnisse stimmen mich sehr optimistisch", freut sich Ullrich Amthor. "Ziel muss es auch sein, junge Bäckermeister zur Selbständigkeit hinzuführen und sie zu begeistern. Das ist ein ebenso wichtiger Ansatz für die Umsetzung der Digitalisierung", ergänzt Amthor.

Ullrich Amthor, Bäckermeister aus Saal an der Saale
Rudi Merkl
Ullrich Amthor, Bäckermeister aus Saal an der Saale

Mehr Qualität durch komplette Vernetzung

Durch eine digitale Waage, die mit den vielen hauseigenen, im System gespeicherten Rezepturen verbunden ist, wird die Qualität der einzelnen Backwaren gesteigert. Die Fehlerquote sinkt, Ausschuss wird vermieden und schlussendlich verbessert dies die Kalkulation. "Dank der Integrationsfähigkeit dieser elektronischen Komponenten durch Standardschnittstellen ist diese heutzutage viel einfacher zu realisieren", erklärt Amthor. Durch den Einsatz von günstigen Bauteilen aus dem Umfeld der Industrie 4.0 kann die Temperaturkontrolle der Kühlzellen, die im Betrieb verteilt sind, zentral erfolgen. Webbasierte Anwendungen führen dazu, dass die bisherigen Desktop-PCs durch Smartphone und Tablet abgelöst werden können. Dies ermöglicht den direkten Einsatz von Software am Arbeitsplatz in der Backstube und ist für die Umsetzung der Ziele ein wesentlicher Bestandteil. "Es geht dabei um die Unterstützung am Arbeitsplatz und nicht um die oft gepriesene Umsatzoptimierung. Durch die Verschlankung der Prozesse stellen sich vielleicht solche Effekte zusätzlich ein. Aber hier geht es um den Mitarbeiter, den ich durch diese Hilfsmittel entlasten will. Ich verspreche mir davon eine höhere Arbeitsmoral und Leistungsbereitschaft. Der Bäckerberuf ist durch sein Profil sowieso schon eine Herausforderung", vertieft Ullrich Amthor seinen Ansatz. "Das ist auch der Grund dafür, warum ich mich gegen Software von der Stange entschlossen habe", bekräftigt der Bäckermeister seine Entscheidung. Als Obermeister der Innungen im Rhön-Grabfeld und als geprüfter Brotsommelier kennt Ullrich Amthor die Problematik im Bäckergeschäft: "Es gibt keine Betriebsnachfolger und Neugründungen! Das ist sehr schade, denn dieser Beruf erfüllt im Grunde viele Wünsche des Menschen. Selbstverwirklichung und Kreativität führen zu persönlichem Erfolg. Die digitale Transformation begünstigt durch ihre Innovationen diesen Weg im Beruf des Bäckers."

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Mitarbeiter einbinden und mitnehmen

Wenn Thomas Egerer, Geschäftsführer der Trend Elements GmbH & Co. KG, an das Jahr 2020 zurückdenkt, dann denkt auch er nicht nur an die schwierige Corona-Zeit sondern ebenso an den Einzug einer umfassenden Digitalisierung in seinem Unternehmen. Die Schreinerei bietet ein breites Dienstleistungsspektrum an, vom Möbelbau und Innenausbau über Holz-, Haus- und Glastüren, Insektenschutz, Fenster, Beschattungen und Spanndecken bis hin zu Glastrennwänden und Duschabtrennungen. "Der Einsatz der neuen Software, der Digitalisierungsprozess stellte die bisherigen Arbeitsabläufe komplett auf den Kopf", sagt Thomas Egerer, "aber: Das Gute war, ich wusste, was auf uns alle zukommt. Jetzt haben wir alle Produktionsabläufe optimiert."

Thomas Egerer, Geschäftsführer der Trend Elements GmbH & Co. KG, Bad Neustadt-Salz
Rudi Merkl
Thomas Egerer, Geschäftsführer der Trend Elements GmbH & Co. KG, Bad Neustadt-Salz

Lange Vorlaufphase

Bevor es jedoch soweit war, musste das neue System seine Stabilität beweisen – "wir haben nahezu ein Jahr benötigt, bis es so lief, wie wir es wollten" – und auch die Mitarbeiter waren eingebunden im Umstellungsprozess. "Man muss die Mitarbeiter bei solch tiefgreifenden Änderungen mitnehmen. Ziel war es, das Positive im Neuen zu sehen. Alle waren am Prozess beteiligt, das ist enorm wichtig", weiß Thomas Egerer. Aufträge werden im Büro angenommen und ausgearbeitet, Zuschnittaufträge dann an die Produktion weitergegeben. Aber: "Ich achte wenn möglich darauf, dass der Schreiner, der die Möbel letztendlich montiert, sie auch schneidet und zusammenbaut. Das ist wichtig, nur so ist die Identifikation mit dem Produkt gegeben." Gewonnen durch die Digitalisierung hat Thomas Egerer vor allem Zeit. Die Produktionsgeschwindigkeit bei manchen Produkten konnte sich verdoppeln, "gerade Reproduktionen gehen sehr schnell und sind äußerst genau." Thomas Egerer hat auch ein scharfes Auge darauf, dass die Kombination und Kooperation zwischen Büro und Produktion reibungslos funktioniert. "Ich wollte durch die Digitalisierung nicht dahin kommen, dass es heißt, die im Büro und die in der Werkstatt. Wir sind ein Handwerksbetrieb und arbeiten alle gemeinsam." Resümierend kann Thomas Egerer zufrieden zurück blicken: "Die Einführung des neuen Digitalisierungsprozesses ist für uns sehr gut gelaufen, aber auch wir haben das nicht zum Spaß gemacht. Hinter all den Überlegungen steckt immer: Wir müssen damit auch Geld verdienen."

Zeitersparnis, Genauigkeit und Fehlerminimierung

Für Lukas Pittner, der gemeinsam mit seiner Mutter Paula einen Fliesenlegerbetrieb in Großeibstadt führt, war vor allem dieser Dreiklang der Grund zur Einführung innovativer digitaler Prozesse im Betrieb: Zeitersparnis, Genauigkeit und Fehlerminimierung. Zurückblickend kann Lukas Pittner sagen: "Ja, diese Ziele sind erreicht, unser Betrieb ist mit der Digitalisierung den richtigen Schritt Richtung Zukunft gegangen." Der richtige Schritt verbildlicht die Kommunikation zwischen den Handwerkern auf der Baustelle und dem Büro. "Der Handwerker auf der Baustelle bedient ganz einfach eine App, in der er die relevanten Daten eingibt." Arbeitszeit, Materialverbrauch, Regieberichte aber auch für den Auftrag relevante Bilder und Videos werden aktuell in die App eigegeben und hochgeladen. Und das Beste daran: "Das Büro hat sofortigen digitalen Zugriff darauf. Wir können sehr schnell reagieren, planen und Material- und Personaleinsatz vormerken", freut sich Lukas Pittner. Was die Digitalisierung ausmacht, erläutert der junge Handwerksunternehmer gerne: "Die Dokumentation wurde vorher nahezu doppelt gemacht, einmal vom Handwerker auf der Baustelle und dann wurden diese handschriftlichen Daten im Büro ins EDV-System übertragen."

Auch Lukas Pittner hat das neue System während der Pandemie-Zeit 2020 eingeführt. "Ich habe nach einer kompatiblen Lösung mit unserem Rechnungsprogramm gesucht und auch beim gleichen Hersteller gefunden. Dadurch gab es keine Schnittstellenprobleme. Anfängliche Bedenken der Mitarbeiter konnten sehr schnell ausgeräumt werden, die Vorteile des neuen Systems sind augenscheinlich. Lukas Pittner: "Wir haben die internen Abläufe strukturiert und optimiert, so dass ich jetzt als Chef auch mehr Zeit habe." Zeit, um das Unternehmen weiter in die Zukunft zu führen.

Lukas Pittner, Fliesen-, Platten- und Mosaiklegermeister aus Großeibstadt
Rudi Merkl
Lukas Pittner, Fliesen-, Platten- und Mosaiklegermeister aus Großeibstadt