
BeratungNachhaltigkeit als Wettbewerbsfaktor
Nachhaltigkeit ist kein Modethema mehr, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor – auch und gerade für Handwerksbetriebe. Valentin Meyer, Berater für Innovation und Technologie, Energie und Umwelt (BIT) der Handwerkskammer für Unterfranken unterstützt Handwerksbetriebe in allen Belangen rund um das Thema Nachhaltigkeit. Zudem bietet er für Betriebe die gemeinsame Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nach vereinfachtem VSME-Standard an.
Herr Meyer, warum sollte sich ein Handwerksbetrieb heute intensiv mit Nachhaltigkeit befassen?
Valentin Meyer: Weil Nachhaltigkeit nicht wieder verschwinden wird – im Gegenteil. Kunden, Geschäftspartner, Banken und Gesetze verlangen zunehmend nachhaltiges Handeln. ESG-Ratings (Hinweis d. Redaktion: siehe Infokasten) beeinflussen die Kreditvergabe, Kaufentscheidungen hängen von der Nachhaltigkeitsstrategie ab, und gesetzliche Vorgaben wie beispielsweise das Emissionsschutzgesetz setzen klare Rahmenbedingungen. Wer sich frühzeitig vorbereitet, verschafft sich Wettbewerbsvorteile – und spart oft auch bares Geld.
Welche handfesten Vorteile bringt Nachhaltigkeit speziell für kleine und mittlere Handwerksbetriebe – und warum lohnt sich der Einstieg gerade jetzt?
Nachhaltigkeit bietet kleinen und mittleren Betrieben gleich mehrere Vorteile. Sie sichert den Marktzugang, weil Kunden und Geschäftspartner zunehmend Nachweise für nachhaltiges Handeln verlangen. Wer seinen Energie- und Materialverbrauch kennt, gezielt reduziert und dokumentiert, senkt nicht nur sofort die Kosten, sondern verbessert auch den eigenen CO₂-Fußabdruck. Außerdem steigern nachhaltige Betriebe ihre Attraktivität – sowohl für qualifizierte Fachkräfte als auch für Kunden, was im Wettbewerb um Talente und Aufträge ein entscheidender Vorteil ist.
Wie startet man mit einer Nachhaltigkeitsstrategie?
Am Anfang steht eine Ist-Analyse – von Energie- und Materialverbrauch bis zu sozialen Faktoren und Flächennutzung. Um gut vorbereitet zu sein empfiehlt sich die Berichterstattung nach dem VSME, einem Standard, der für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt wird. Einen ersten umfassenden Entwurf hat die Europäischen Kommission bereits veröffentlicht. Dort werden verschiedene Themen wie Energieverbrauch und Treibhausgasemission, Ressourcennutzung, Belegschaft und Korruption behandelt. Ebenfalls zeigen Hilfsmittel wie das CO₂-Fußabdruck-Tool (E-Tool), oder der Nachhaltigkeitscheck 360° Potenziale auf. Daraus leitet man kurz-, mittel- und langfristige Ziele ab. Entscheidend ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess – kleine Schritte, konsequent umgesetzt. Als Beauftragter für Innovation und Technologie, Energie und Umwelt (BIT) der Handwerkskammer für Unterfranken biete ich auch ganz konkrete Hilfe an.
Können Sie diese Hilfe beschreiben?
Sehr gerne. Ich erstelle gemeinsam mit dem Betriebsinhaber für Betriebe einen Nachhaltigkeitsbericht nach vereinfachtem VSME-Standard. Das ist ein Dienstleistungsangebot der Handwerkskammer, das ich jedem Handwerksbetrieb empfehle in Anspruch zu nehmen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht.
Brauchen auch kleine Betriebe einen Nachhaltigkeitsbericht?
Valentin Meyer: Ein detaillierter Bericht ist nicht immer nötig, aber selbst kleinere Unternehmen können indirekt betroffen sein, wenn ihre Lieferketten betrachtet werden. Der Trickle-Down-Effekt führt dazu, dass Vorgaben an vorgelagerte Unternehmen durchsickern. Der beschriebene VSME-Standard ist hier ein sehr guter Anhaltspunkt. Dies ist auch für die Kreditvergabe von Banken relevant, da Nachhaltigkeitsthemen zunehmend in die Entscheidungsfindung einfließen. Wie gesagt, ich unterstütze hier sehr gerne.
Können Sie die drei wichtigsten Handlungsimpulse nennen?
Erstens: Frühzeitig die eigenen Kennzahlen kennen – Energie, Material, soziale Aspekte. Zweitens: Fördermöglichkeiten prüfen, bevor man investiert. Drittens: Bestehende Stärken dokumentieren und kommunizieren. Das Handwerk hat hier einen großen Vorsprung – es muss ihn nur sichtbar machen.
Nachhaltigkeit bietet kleinen und mittleren Betrieben gleich mehrere Vorteile. Sie sichert den Marktzugang, weil Kunden und Geschäftspartner zunehmend Nachweise für nachhaltiges Handeln verlangen.
Valentin Meyer,
Berater für Innovation und Technologie, Energie und Umwelt (BIT) der Handwerkskammer für Unterfranken
Sie haben sich in einer praktischen wissenschaftlichen Arbeit auch dem Thema Nachhaltigkeit angenommen – mit Verpackungsmüll im Handwerk als Potenzial für innovative Produktlösungen.
Ich habe gesehen, dass Verpackungsmüll in Schreinereien massiv zunimmt. Meine Idee war, diesen „Abfall“ als kostenlosen Rohstoff zu nutzen – daraus entstand ein modulares System für Messestände, Regale oder Hocker, das am Ende wieder recycelt werden kann. Nachhaltige Kreislaufwirtschaft funktioniert auch in der Produktentwicklung: Man plant von Anfang an so, dass Bauteile leicht trennbar, reparierbar und wiederverwertbar sind. Reparatur ist übrigens ein unterschätzter Teil der Nachhaltigkeit – für Handwerker selbstverständlich, aber selten als solche benannt.
Kommen wir zu weiteren konkreten Maßnahmen. Wie können Betriebe die eigene Energieeffizienz erhöhen?
Der erste Schritt ist die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema. Kleine Maßnahmen wie das Ausschalten von Licht oder das Schließen von Toren können viel bewirken. Effiziente Maschinen ersetzen alte Modelle und nutzen Abwärme. Der Wechsel zu erneuerbaren Energien, der Einbau von PV-Anlagen und die Optimierung von Routenplanung sind weitere Schritte. Hilfsmittel wie Druckluftleckagemessgeräte und Wärmebildkameras helfen dabei, Energieeffizienz zu steigern.
Wie lassen sich Nachhaltigkeitsmaßnahmen fördern?
Es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten, die z. B. Module für Querschnittstechnologien, Prozesswärmegewinnung und mehr umfassen. Auch regionale Förderungen und der Digitalbonus Bayern können genutzt werden. Eine Beratung hilft, sich im Fördermittel-Dschungel zurechtzufinden und zu prüfen, ob ein Vorhaben förderfähig ist. Am besten rufen uns die Betriebe an, wir unterstützen sie bei der Beantragung.
Glossar
Das ESG-Ranking bezieht sich auf eine Bewertung von Unternehmen basierend auf ihren Leistungen in den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Diese drei Kriterien werden häufig verwendet, um die Nachhaltigkeit und ethische Auswirkungen eines Unternehmens zu messen.
Der VSME Standard (Voluntary Sustainability Reporting Standard for Non‑Listed Micro, Small and Medium‑sized Enterprises) ist ein von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelter, freiwilliger Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU. Ein erster umfassender Entwurf wurde von der EU-Kommission als Empfehlung veröffentlicht und soll KMU eine praxisnahe und einheitliche Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten.