Uhrmacher in Werkstatt schaut auf Taschenuhr
Nadine Heß
Felix Wüstenfeld taucht ab: In seiner kleinen Werkstatt in Aschaffenburg repariert der 43-jährige Uhrmachermeister Schätze, die seine Kundinnen und Kunden ihm anvertrauen und bewahrt so nicht nur deren Technik, sondern vor allem auch ihre individuellen Geschichten.

Bewahrer der Zeit

Das Ticken der Uhren erklingt wie ein mehrstimmiger Chor. Die Sinfonie aus Ticks und Tacks entführt in eine Welt voller Schätze. Voller Uhren mit kunstvoll verzierten Ziffernblättern, in edlen Gehäusen oder auch mit verspielten Ornamenten. Die Blecheisenbahn, die unter dem Fenster ihre Kreise zieht, erzählt von glücklichen Stunden in Kinderzimmern und Hobbykellern. Hier in der Werkstatt haucht Felix Wüstenfeld Lieblingsstücken wie diesen wieder neues Leben ein. Er bewahrt ihr Inneres und Äußeres. Vor allem aber bewahrt er die Geschichten, die ihre Besitzerinnen und Besitzer mit diesen Lieblingsstücken verbinden.

Technik der Vergangenheit

Neben persönlichen Erinnerungen in den Herzen seiner Kunden, widmet sich der 43-jährige Aschaffenburger aber auch den Herzen der Handwerksstücke, die auf seiner Werkbank landen. "Zu reparieren, was vielleicht schon 100 Jahre alt ist und so dafür zu sorgen, dass es noch einmal so lange hält", das ist für den 43-Jährigen die schönste Herausforderung an seinem Handwerk. Er schwärmt für die Gesetze der Mechanik, für die filigranen Zahnräder, die im Inneren einer alten Taschenuhr ineinandergreifen oder für den robusten Antrieb einer Lok, der heute noch genauso wie im Jahr 1900 funktioniert. Wenn er sich dieser bewährten Technik widmet, hat er vor allem einen Anspruch: "Es muss funktionieren, egal wie alt es ist!" Und so vergisst Felix Wüstenfeld auch schon mal die Zeit, wenn er stunden-, tage- und wochenlang an alten Schätzen operiert. In seine Hände geben die Kundinnen und Kunden die alte Armbanduhr des Großvaters, der schon vor Jahren verstorben ist, oder das Spielzeugkarussell, das vor Jahrzehnten seine letzte Runde gedreht hat und an dem so viele Erinnerungen hängen. Jeden der Aufträge widmet er sich mit all seiner Expertise. Und wenn es sein muss, auch mit vollem Körpereinsatz. Denn wenn er zum Beispiel eine der alten Spieluhren, die früher in Bahnhofshallen zu finden waren, in ihre Einzelteile zerlegt, dann breitet er alles auf dem Boden aus, um es zu säubern. "Dann sehe manchmal aus wie ein Automechaniker", malt er aus und muss lachen.

Werkzeuge eines Uhrmachers an einer Werkbank
Nadine Heß
Werkzeugkasten eines Uhrmachers: Bei Reparatur und Restauration sind Fingespitzengefühl und Geduld gefragt.

Schätze der Gegenwart

Wer seine Kundinnen und Kunden sind, das bewahrt Felix Wüstenfeld übrigens genauso gut wie die Schätze, die sie ihm anvertrauen. Nur so viel: Sie sind Sammler, Liebhaber, Genießer. Menschen, die sich bewusst gegen den Kauf von etwas Neuem und für den Erhalt von Bewährtem entscheiden. In sie kann sich der 43-Jährige gut hineinversetzen, denn auch er selbst hält bewusst an solchen persönlichen Werten fest. Davon erzählt nicht nur die glänzende Taschenuhr, die er an diesem Tag aus der Tasche seiner Nadelstreifenweste hervorholt, sondern auch ein Willys Jeep in seiner Garage, ein Allrad-Fahrzeug der US Army. Baujahr 1942. Die Faszination für alte Technik fährt auch in den Blecheisenbahnen mit, die in der kleinen Werkstatt in einem Baukasten an der Wand erstrahlen. Der Großteil von ihnen ist an die 80 Jahre alt.

Uhrmacher mit Werkzeug an Taschenuhr
Nadine Heß
Vor allem die bewährte Mechanik im Inneren von beispielsweise alten Uhren fasziniert Felix Wüstenfeld.

Ziele der Zukunft

Vergangenes spielt aber keineswegs die Hauptrolle für den Uhrmachermeister. Damit das Wissen des Uhrmacherhandwerks erhalten bleibt, engagiert er sich intensiv in der Aus- und Weiterbildung. Als Dozent an der bayerischen Uhrmachermeisterschule steht Felix Wüstenfeld regelmäßig vor Meister- und Ausbildungsklassen. Und auf der Jobmeile, einer Berufsmesse der Kreishandwerkerschaft Aschaffenburg, gibt der 43-Jährige den Besuchern geduldig Auskunft rund um seinen Beruf. Denn wie die Schätze, die er repariert, soll auch das Uhrmacherhandwerk in 100 Jahren und mehr noch weiter existieren. Dafür setzt er sich mit all seiner Leidenschaft und seinem Wissen ein.

Uhrmacher in Werkstatt | Uhren im Hintergrund
Nadine Heß
Der 43-Jährige engagiert sich als Ausbilder in Kursen der Überbetrieblichen Ausbildung sowie in der Weiterbildung zum Meister.