Betriebsinhaber und sein Auszubildender stehen auf dem Hof des Betriebes, beide schauen in Kamera
Nadine Heß
Es hat sofort gepasst: Betriebsinhaber Tim Keusen ermöglichte Abdallah aus Marokko eine Ausbildung in seinem Betrieb. Bis zu deren Start mussten beide Seiten umfangreiche Vorbereitungen treffen.

„Das Bauchgefühl hat sofort gestimmt“

Die E-Mail, die im Frühjahr 2021 im Postfach der Keusen Ball GmbH in Mömlingen landete, wäre in den meisten Betrieben wahrscheinlich sofort gelöscht worden. Ein Bewerber aus Marokko bat darin ehrlich interessiert und in gutem Deutsch um ein Vorstellungsgespräch für eine Ausbildungsstelle zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Betriebsinhaber Tim Keusen und sein Team löschten die E-Mail nicht. Sie waren neugierig und vereinbarten ein Gespräch per Videoanruf. Das erste Kennenlernen mit dem Bewerber aus Nordafrika am Bildschirm beeindruckte Tim Keusen: "Er war super vorbereitet, hatte sich über unser Unternehmen, den Beruf und auch Mömlingen informiert", erinnert er sich heute. Nach dem Gespräch stand für den Betriebsinhaber deshalb fest: Abdallah soll nach Mömlingen kommen und eine Ausbildung beginnen. Es ist eine Entscheidung, die beide Seiten bis heute nicht bereut haben, die aber auch viel Engagement und Einsatz erfordert hat.

Hoher Aufwand

"Insgesamt hat es ein halbes Jahr gedauert bis alle Anträge und Vorbereitungen abgeschlossen waren", berichtet Installateur- und Heizungsbauermeister Tim Keusen. Neben einem Visum, diversen Versicherungen und einem Konto in Deutschland musste Abdallah unter anderem auch einen unterschriebenen Mietvertrag vorweisen, um für die Ausbildung einreisen zu können. "Das hat nur dank des großen Einsatzes meines Teams geklappt, das mit potentiellen Vermietern gesprochen und ihnen die Situation erklärt hat", so der 38 Jahre alte Betriebsinhaber. Die Wohnungsbesichtigung habe schließlich mit einer Mitarbeiterin und dem Vermieter vor Ort sowie Abdallah per Video am Smartphone stattgefunden.

Ausbilder und Auszubildender an einer Brennstoffzellen-Heizungsanlage
Nadine Heß
Technologie und Ausbildung mit Zukunft: Tim Keusen erklärt seinem Auszubildenden Abdallah die Funktionsweise einer Brennstoffzellen-Heizungsanlage.

Außergewöhnlicher Bewerber

Auch der 23-Jährige selbst setzte von Marokko aus viele Hebel in Bewegung. Für seinen Traum einer Ausbildung in Deutschland absolvierte er einen Sprachkurs und kümmerte sich um wichtige Dokumente und Anträge. "Ich habe von Marokko aus Kontakt mit dem Landratsamt und der Ausländerbehörde aufgenommen. Das war manchmal schwierig und hat mehrere Anläufe gebraucht", erzählt er. Wenn Abdallah über all das spricht, dann nicht mit einem Kopfschütteln. Im Gegenteil: Er strahlt, denn die Ausbildung zum Anlagenmechaniker ist genau das, was er machen möchte. "Dieser Beruf ist vielfältig, modern und abwechslungsreich", schwärmt er auch im dritten Lehrjahr noch. Bei Keusen Ball arbeitet der junge Marokkaner hauptsächlich an regenerativen Heizungsanlagen – ein Bereich, den er in seiner Heimat Marokko nie hätte erlernen können. Der 23-Jährige ist ein Auszubildender mit hoher Motivation und großer Leidenschaft – nicht nur für sein Handwerk, sondern auch für den Betrieb, in dem er seine Ausbildung absolviert. „Ich habe hier eine neue Familie gefunden“, sagt er und strahlt dann noch ein bisschen mehr.

Dieser Beruf ist vielfältig, modern und abwechslungsreich.

Abdallah, Auszubildender zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik aus Marokko

Neue Familie

Die neue Familie hat Abdallah mit offenen Armen aufgenommen und ihm eine berufliche Perspektive ermöglicht. Der junge Auszubildende soll auch nach der Gesellenprüfung im Unternehmen bleiben – das können sich beide Seiten sehr gut vorstellen. Bei der Suche nach Fachkräften beschreitet Betriebsinhaber Tim Keusen viele Wege: Auf seiner Homepage wirbt er Meister, Gesellen und Helfer mit der Vier-Tage-Woche und überbetrieblicher Bezahlung. Schülerinnen und Schüler spricht er direkt in Schulen an und bietet dort auch Praxisaktionen an. Auch sonst sei er einfach offen, berichtet der 38-Jährige. "Das Allerwichtigste ist, dass jemand ins Team passt. Und bei Abdallah hat mein Bauchgefühl diesbezüglich sofort gestimmt", so der Installateur- und Heizungsbauermeister. Beim richtigen Bauchgefühl überwindet Tim Keusen auch mal Grenzen – so wie bei Abdallah.