Einzelfoto von Mann mittleren Alters
ZDH/Henning Schacht
Die Stärkung der beruflichen Bildung ist Voraussetzung für das Gelingen der anstehenden Transformationsaufgaben, so Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Entlastung, Stärkung, Förderung

Wie auch bundesweit konnte das unterfränkische Handwerk in diesem Jahr zum Ausbildungsbeginn wieder leicht steigende Ausbildungszahlen vermelden. Der Blick auf die Langzeitstatistik aber zeigt: Es fehlen weiterhin Nachwuchsfachkräfte in großer Zahl, der Fachkräftemangel droht sich weiter zu verschärfen. Wie Handwerksorganisation und Betriebe gegensteuern, darüber sprach die Deutsche Handwerks Zeitung mit Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Aufgrund der anstehenden Transformationsprozesse benötigen künftige Fachkräfte im Handwerk neue Qualifikationen – etwa beim Umgang mit neuen Technologien. Wie sehen Sie die Ausbildung im Handwerk mit den Säulen Betrieb, Berufsschule und Überbetriebliche Ausbildung hier aufgestellt?

Holger Schwannecke: Angesichts der raschen technologischen Veränderungen und der digitalen Transformation steht die Ausbildung im Handwerk vor der großen Herausforderung, immer up-to-date bei den Wissensinhalten wie auch den Berufsbildern zu bleiben. Ausbildungsordnungen gilt es in regelmäßigen Abständen und in sozialpartnerschaftlicher Zusammenarbeit immer wieder anzupassen. So haben wir beispielsweise im vergangenen Herbst sehr rasch das Thema Wärmepumpe in den Rahmenlehrplänen für die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) in den Ausbildungsberufen Anlagenmechaniker SHK und Schornsteinfeger ausgebaut oder das Elektrohandwerk hat vor kurzem einen neuen Ausbildungsberuf zum Elektroniker für Gebäudesystemintegration gestartet. Betriebe und handwerkliche Bildungszentren setzen alles daran, den Auszubildenden modernes und umfassendes fachliches Wissen an möglichst neuesten Gerätschaften zu vermitteln und den Nachwuchs fit für die künftige Berufsausübung zu machen. Allerdings kann dies das Handwerk nicht allein stemmen, sondern gerade was die Mittelausstattung für Investitionen in die handwerklichen Bildungszentren betrifft, ist dringend eine Aufstockung erforderlich.

Der jüngste OECD-Bildungsbericht bescheinigte dem beruflichen Bildungssystem in Deutschland erneut Bestnoten. Haben Sie das mit Freude gelesen?

Natürlich freut uns das, insbesondere auch, dass die an die Ausbildung anschließende Beschäftigungsquote der Absolventinnen und Absolventen mit 94 Prozent weit über dem OECD-Durchschnitt liegt. Wie hervorragend das System der beruflichen Bildung ist, haben die Erfolge unserer EuroSkills-Nationalmannschaft zuletzt eindrucksvoll bewiesen.

Gleichzeitig legte der Bericht auch offen, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland gar keinen Berufsabschluss haben. Wichtige Potenziale, dringend benötigte Fachkräfte auszubilden, bleiben hier also ungenutzt. Wie können Ihrer Ansicht nach Lösungsansätze, auch speziell in und mit den ausbildenden Handwerksbetrieben, aussehen?

Die Zahlen des Berichts sind in der Tat alarmierend und besorgniserregend: Im vergangenen Jahr konnten nur noch 38 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Berufsabschluss vorweisen, 2015 waren es noch 51 Prozent. Das hat nicht nur für die betroffenen Personen, sondern für die Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt negative Auswirkungen. Diese jungen Menschen fehlen auf dem Arbeitsmarkt. Im Handwerk gibt es Stand Ende August noch etwa 30.000 offene Ausbildungsplätze, das sind tausendfach ungenutzte Bildungs- und Karrierechancen für junge Menschen. Und: Damit Ausbildungen zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden können, brauchen Schülerinnen und Schüler Berufswahlkompetenzen sowie Kernkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das Handwerk leistet hier seinen Beitrag – für Auszubildende mit Einstiegsqualifizierungen, mit Assistierter Ausbildung sowie mit dem Programm VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen) und für die Gruppe der Geringqualifizierten etwa mit der abschlussorientierten Nachqualifizierung durch Teilqualifizierungen für über 25-Jährige.

Vom Handwerk gefordert wird auch explizit eine „Bildungswende“. Wie soll diese konkret aussehen und wie kann sie realisiert werden?

Eine Bildungswende sehen wir als Voraussetzung für alle politisch gewünschten Wenden, weil nur mit ausreichend beruflich qualifizierten Fachkräften im Handwerk die anstehenden Transformationsaufgaben beim Klimaschutz, bei der Energie- und Wärmewende, beim Wohnungs- und Infrastrukturausbau wie aber auch eine ausreichende Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung mit handwerklichen Produkten sicherzustellen sein wird. Eine solche Bildungswende muss zu einer wieder größeren Wertschätzung der beruflichen Bildung führen und sollte mit einer gesetzlichen Verankerung der Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung eine rechtliche Grundlage erhalten. Dazu gehört auch, Ausbildungsbetriebe spürbar zu entlasten und mehr attraktive Angebote für Auszubildende beim Wohnen und der Mobilität zu schaffen. Die Berufsbildungsstätten müssen weiter gestärkt werden. Und es braucht endlich eine flächendeckende Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen, vor allem auch Gymnasien, die immer als festen Bestandteil auch Informationen über die Berufe sowie die Berufswege und Karrierechancen im Handwerk gibt.

Die Imagekampagne des Handwerks gibt es bereits seit 2010, Wahrnehmung und Wertschätzung des Handwerks haben sich seither spürbar erhöht. Warum ist die Kampagne aus Ihrer Sicht auch nach so langer Zeit und den sichtbaren Erfolgen immer noch wichtig für das Handwerk und welche Rolle kann und muss die bundesweite Imagekampagne des Handwerks bei einer Bildungswende spielen?

In der Tat trägt die Imagekampagne sehr erfolgreich zur positiven Wahrnehmung des Handwerks bei. Wir zeigen auf allen Kanälen, wie sich gerade junge Menschen im Handwerk selbst verwirklichen können und wie viele Karrieremöglichkeiten es in den über 130 Ausbildungsberufen gibt. Trotz der großen Fortschritte, die auch mit Umfragen belegt sind, halten sich manche überholten Denkmuster jedoch hartnäckig. Genau da setzt die Kampagne an und löst Vorurteile positiv auf. Im laufenden Jahr haben wir einen besonderen Akzent darauf gelegt, dass Handwerkerinnen und Handwerker selbstverständlich auch mit dem Kopf arbeiten, ein Unternehmen führen, weltweit unterwegs und kreativ sind. Und dass man gerade im Handwerk viel bewegen kann, wenn es um Klimaschutz, Energiewende oder viele andere große Herausforderungen unserer Zeit geht.

Zentralverband des Deutschen Handwerks

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist der Dachverband, in dem die 53 Handwerkskammern in Deutschland, rund 50 Fachverbände des Handwerks sowie weitere wirtschaftliche Einrichtungen zusammengeschlossen sind. Er vertritt die Interessen von rund einer Million Handwerksbetrieben mit ca. 5,7 Millionen Beschäftigten und 350.000 Auszubildenden. 

Der ZDH dient der einheitlichen Willensbildung in allen grundsätzlichen Fragen der Handwerkspolitik und vertritt die Gesamtinteressen des Handwerks gegenüber Bundestag, Bundesregierung und anderen zentralen Behörden, der Europäischen Union (EU) und internationalen Organisationen. Dazu kooperiert der ZDH mit Partnerorganisationen.

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